http://www.incadat.com/ ref.: HC/E/AT 569 [24/04/1992; Oberster Gerichtshof (Austria); Superior Appellate Court] 1Ob550/92, Oberster Gerichtshof, 24/04/1992

Kopf:

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspr�sidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofr�te des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin I.G., vertreten durch Mag DDr Ingeborg Sch�fer-Guhswald, Rechtsanwalt in Wien, wegen R�ckgabe der mj. Kinder K.T. und C.T., infolge Revisionsrekurses des Vaters S.T., vertreten durch Dr. Eva Maria Barki, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschlu� des Landesgerichtes f�r ZRS Wien als Rekursgericht vom 3.Februar 1992, GZ 44 R 6/92-23, womit der Beschlu� des Bezirksgerichtes Favoriten vom 21.November 1991, GZ 6 Nc 89/91-17, abge�ndert wurde, folgenden Beschlu� gefa�t:

Begr�ndung:

C.T. und K.T. entstammen der am 16.10.1981 in Budapest geschlossenen Ehe des S.T. mit Y.G. Diese Ehe wurde mit Beschlu� des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 16.10.1990, 9 Sch 93/90-5, einvernehmlich rechtskr�ftig geschieden. Im Scheidungsvergleich vom selben Tag wurde vereinbart, da� die Obsorge dem Vater zustehe. Beigef�gt wurde, da� sich die Kinder derzeit bei den m�tterlichen Gro�eltern in Budapest befinden. Dieser Vergleichspunkt wurde mit Beschlu� des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 13.3.1991, 9 Nc 425/89, pflegschaftsbeh�rdlich genehmigt. Ein Antrag der Mutter vom 21.5.1991, ihr die Obsorge f�r die beiden Kinder zu �bertragen, wurde mit Beschlu� des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 28.5.1991, 9 Nc 425/89, 9 P 116/89-12, rechtskr�ftig zur�ckgewiesen. Die Kinder seien ungarische Staatsb�rger, sie bef�nden sich seit Sommer 1989 bei den m�tterlichen Gro�eltern in Budapest, die �sterreichische Gerichtsbarkeit sei nicht mehr gegeben.

Mit Beschl�ssen des Rates des XIII.Stadtbezirkes der Hauptstadt Budapest betreffend die vorl�ufige �bertragung des Sorgerechtes f�r die mj. C.T. und Bestellung eines Vormundes vom 23.4.1990 Nr.1418/9/1990 und f�r den mj. K.T. vom 24.4.1990 Nr.III-1418/8/1990, wurde bis zur Rechtskraft des in dem beim zentralen Stadtbezirksgericht Pest wegen der �bertragung des Sorgerechtes auf eine dritte Person anh�ngigen Prozesses das Sorgerecht auf die m�tterliche Gro�mutter I.G. vorl�ufig �bertragen; sie wurde gleichzeitig zum Vormund der Kinder bestellt. Weiters wurde festgestellt, da� das elterliche Aufsichtsrecht ruhe. Gest�tzt wurden die Beschl�sse unter anderem auf die Bestimmungen der �� 70, 76 Abs.1, 91 Abs.2, 92/A Abs.1 Punkt d, 93, 94 Abs.1, 96 Abs.2 Punkt a, 99 Abs.1 und 101 bis 104 des ungarischen Familiengesetzes. Diese Entscheidungen wurden �ber Berufung der Eltern mit Beschlu� des Exekutivkomitees des Rates der Hauptstadt Budapest vom 17.7.1990, Nr.8154/5/1990, best�tigt. Ausgesprochen wurde, da� gegen diesen Beschlu� keine weitere Berufung zul�ssig sei. Gegen diesen Beschlu� k�nne innerhalb von 30 Tagen nach der �bernahme eine Klageschrift beim zentralen Stadtbezirksgericht Pest unterbreitet werden. Ein Verfahren betreffend das endg�ltige Sorgerecht f�r die beiden Kinder ist in Ungarn anh�ngig.

Gegen den Willen der m�tterlichen Gro�mutter wurden die Kinder von der Mutter am 22.6.1991 nach �sterreich verbracht. Sie befinden sich derzeit bei dem in zweiter Ehe mit einer Koreanerin verheirateten Vater.

Das Justizministerium Budapest �bermittelte am 2.9.1991 gem�� Art.6 des �bereinkommens �ber die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentf�hrung (BGBl.1988/512) � im folgenden:

�bereinkommen - einen Antrag der m�tterlichen Gro�mutter auf R�ckgabe der Kinder. Der Beitritt Ungarns zum �bereinkommen wurde von �sterreich gem�� Art.38 Abs.4 angenommen (BGBl.1990/626).

Dieser Antrag wurde vom Bundesministerium f�r Justiz am 13.9.1991 an das Erstgericht weitergeleitet.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Da beide Minderj�hrigen in Wien erfolgreich die Schule besuchten und es durchaus m�glich sei, da� auch vom ungarischen Gericht das Sorgerecht dem Vater zugesprochen werde, w�rde es die beiden Kinder in eine unzumutbare Lage bringen, wenn sie nunmehr die gewohnte Umgebung verlie�en und dann allenfalls nach kurzer Zeit wieder hierher zur�ckzukehren.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der m�tterlichen Gro�mutter Folge. Es �nderte den Beschlu� des Erstgerichtes dahin ab, da� es anordnete, beide Kinder seien sofort der m�tterlichen Gro�mutter zur�ckzugeben. Diese werde erm�chtigt, die Kinder aus �sterreich abzuholen. Den ordentlichen Revisionsrekurs erkl�rte es f�r zul�ssig. Die vorl�ufige ungarische Obsorgeentscheidung sei jedenfalls wirksam, soda� die Erfordernisse des Art.3 des �bereinkommens erf�llt seien. Die Verbringung der Kinder von Budapest nach Wien sei weit weniger als ein Jahr vor Antragstellung erfolgt, soda� nach Art.12 des �bereinkommens grunds�tzlich die sofortige R�ckgabe anzuordnen sei. Das R�ckgabehindernis nach Art.13 lit.b m�sse von der sich widersetzenden Person behauptet und nachgewiesen werden. Behauptungen und Beweisantr�ge in dieser Richtung seien nicht gestellt worden, der Vater sei nur bem�ht gewesen, gegen seine Erziehungsmethoden vorgebrachte Vorw�rfe zu bestreiten. Das Erstgericht habe somit, da amtswegiges Vorgehen zur Pr�fung allf�lliger Gr�nde nach Art.13 des �bereinkommens nicht vorgesehen sei, weder Erhebungen in dieser Richtung zu f�hren noch Feststellungen zu treffen gehabt. Im Rekurs sei zwar nicht die Ab�nderung der angefochtenen Entscheidung begehrt worden. Es entspreche jedoch der st�ndigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, da� im Verfahren au�er Streitsachen bei Spruchreife dennoch eine Sachentscheidung gef�llt werden k�nne, zumal wenn der Rechtsr�ge gerade noch zu entnehmen sei, da� letztlich eine Entscheidung im Sinne der R�ckf�hrung der Kinder gew�nscht werde. Damit entspreche der Rekurs den auch im Au�erstreitverfahren geltenden Mindesterfordernissen.

Rechtssatz:

Der Revisionsrekurs des Vaters ist nicht berechtigt. Ziel des �bereinkommens ist unter anderem die Sicherstellung der sofortigen R�ckgabe widerrechtlich in einen Vertragsstaat verbrachter oder dort zur�ckgehaltener Kinder (Art.1 lit.a). Die Vertragsstaaten wenden zur Erreichung dieses Zweckes ihr schnellstm�gliches Verfahren an (Art.2). Die R�ckf�hrungsentscheidung ist daher keine Regelung der elterlichen Sorge (Art.19; 7 Ob 573/90), sondern verhilft dem geltenden Sorgerecht zur faktischen Wirksamkeit. Das �bereinkommen strebt demnach an, nach einem entformalisierten Schnellverfahren und unter weitgehender Ausblendung von Rechtsfragen die urspr�nglichen Tatsachenverh�ltnisse wiederherzustellen (vgl. JBl.1991, 389; Mansel, NJW 1990, 2176; B�hmer in RabelsZ 1982, 646). Beantragte Sachentscheidungen �ber Sorgerechtsantr�ge in dem Staat, in den das Kind verbracht wurde oder in dem es zur�ckgehalten wird, k�nnen den Verfahrensgang nicht beeintr�chtigen. Sie d�rfen vielmehr so lange nicht erfolgen, bis nicht entschieden ist, da� das Kind aufgrund des �bereinkommens nicht zur�ckzugeben ist (Art.16). Materielle Rechtsgrundlage f�r die R�ckgabeanordnung bei Verletzung des Sorgerechtes im Sinne des Art.3 ist die Bestimmung des Art.12 (Mansel aaO 2177). Das Sorgerecht im Sinne des �bereinkommens umfa�t insbesondere das Recht, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen (Art.5 lit.a).

Der Rekurswerber behauptet, da� die Entscheidungen des Rates des XIII.Stadtbezirkes und des Exekutivkomitees der Hauptstadt Budapest keine Sorgerechtsentscheidungen im Sinne des Art.3 des �bereinkommens seien. �ber das Sorgerecht, das im Rahmen des elterlichen Aufsichtsrechtes ausge�bt werde, sei nicht abgesprochen worden. Dem kann nicht gefolgt werden. Nach � 96 Abs.2 lit.a des ungarischen Familiengesetzes ist die Person, bei der die Vormundschaftsbeh�rde das Kind mit vorl�ufiger Wirkung untergebracht hat (� 92 A Abs.1 lit.d des Familiengesetzes) als Vormund des Minderj�hrigen zu bestellen. Diesem Vormund stehen die Rechte und Pflichten eines die Aufsicht aus�benden Elternteiles zu (� 102 des Gesetzes); im selben Umfang ruht nach � 91 Abs.1 lit.c des Gesetzes die elterliche Aufsicht, zu der, wie sich aus � 72 Abs.4 ergibt, unter anderem auch die Bestimmung des Aufenthaltsortes geh�rt. Auch bis zur Entscheidung des Streites �ber die �bertragung des Sorgerechtes getroffene vorl�ufige Ma�nahmen (Unterbringung des Kindes durch die Vormundschaftsbeh�rde bei Dritten und Bestellung dieses Dritten zum Vormund) durch ungarische Beh�rden sind demnach gerichtliche oder beh�rdliche Entscheidungen �ber das Sorgerecht im Sinn des Art.3 des �bereinkommens. Eine endg�ltige Entscheidung �ber die �bertragung des Sorgerechtes ist nach den Feststellungen des Erstgerichtes noch nicht erfolgt. Soweit im Rechtsmittel darauf hingewiesen wird, da� eine rechtskr�ftige Entscheidung des zust�ndigen Budapester Gerichtes vorl�ge, wonach die Kinder den Eltern herauszugeben seien, soda� eine Widerrechtlichkeit im Sinne des Art.3 des �bereinkommens nicht gegeben sei, wird �bersehen, da� die Entscheidung des hauptst�dtischen Gerichtes vom 17.4.1990 damit begr�ndet wurde, da� der Beschlu� �ber die Bestellung der m�tterlichen Gro�mutter zum Vormund noch nicht rechtskr�ftig sei, derzeit aber ein (weiteres) gerichtliches Verfahren �ber das endg�ltige Sorgerecht f�r die beiden Kinder in Ungarn anh�ngig ist.

Insbesondere wenn wie hier der Antrag auf R�ckf�hrung innerhalb eines Jahres nach der Verbringung des Kindes gestellt wurde, hat das Gericht im Zweifel auf R�ckf�hrung des Kindes zu entscheiden.

Nach der eindeutigen Formulierung der Ausnahmebestimmung des Art.13 des �bereinkommens tr�gt die Person, die sich der R�ckgabe widersetzt, die volle Behauptungs- und Beweislast f�r das Vorliegen von R�ckf�hrungshindernissen (Mansel aaO 2177; B�hmer aaO 649). Da� die R�ckgabe mit der schwerwiegenden Gefahr eines k�rperlichen oder seelischen Leidens f�r die beiden Kinder verbunden w�re oder da� die Kinder auf andere Weise in eine unzumutbare Lage gebracht w�rden, behauptete der Vater nicht. Er verteidigte sich nur gegen die von der Antragstellerin erhobenen Vorw�rfe gegen seine Erziehungsmethoden.

Im Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschlu� f�hrte die m�tterliche Gro�mutter aus, da� das Erstgericht irre, wenn es zu dem Schlu� gekommen sei, da� ihr Sorgerecht nicht verletzt und die Kinder daher nicht zu ihr zu schicken seien. Damit hat sie aber mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, da� sie auch im Rekursverfahren eine Entscheidung im Sinne ihrer Antr�ge w�nschte. Im au�erstreitigen Rekursverfahren gen�gt es im allgemeinen, wenn der Einschreiter zu erkennen gibt, da� er die �berpr�fung der angefochtenen Entscheidung verlangt und Umfang und Ziel des Rechtsmittels hinl�nglich deutlich zumindest im Rahmen der Rekursausf�hrungen zum Ausdruck gebracht werden (MietSlg.36.842, EFSlg.44.505, SZ 47/64 uva). Ein verfehlter Rekursantrag f�hrt dann nicht zur Verwerfung des Rechtsmittels (JBl.1973, 87, 5 Ob 68/82 ua).

Art 26 Abs 4 des �bereinkommens sieht Kostenersatz nur f�r den obsiegenden Antragsteller vor. Im au�erstreitigen Verfahren selbst gibt es, soweit nicht etwas anderes angeordnet ist, keinen Kostenersatz (GMA2, Anm 7 zu � 2 Au�StrG).


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